Kommentar von ÖKR Mag. Alfons Piatti
Kommentar zur wachsenden Kritik am Biolandbau von ÖKR Mag. Alfons Piatti
DIE BEHAUPTUNG
Nachhaltig ,resilient , biodivers und v.a. regenerativ steht derzeit weltweit zu Recht im Fokus vieler unterschiedlicher Überlegungen und Beiträge über die Zukunft der Landwirtschaft.
Der Biolandbau (BLB), der sich als Speerspitze dieser Themen sieht steht dabei immer mehr im Abseits und spielt nur mehr eine untergeordnete oder gar keine Rolle mehr.
Schlimmer noch, liest und hört man doch immer öfter, wie unnütz oder gar schädlich der BLB sei.
„Bio schadet dem Klima“ wird da vom CEO des Agrochemiekonzerns Syngenta behauptet.
Ist also die Methode des BLB überholt und durch einen Mix aus precisions farming, Gentechnik, Ertragsmaximierung und Kombinationen von Pestiziden zur Erosionsbekämpfung ersetzbar geworden?
WOHER DER WIND WEHT
Das Infragestellen des Nutzens des BLB kommt einerseits von Wissenschaftlern (Univ.Prof. Dr. Martin Qaim u.A. ) und andererseits aus der konventionellen Landwirtschaft (KLW), die sich immer öfter als das „bessere Bio“ positioniert und so ihr Image durch „green-washing“ aufpolieren möchte. Beide werden von Lobbyisten aus dem Dunstkreis der Agroindustrie mit erheblichen Geldsummen unterstützt. Landwirtschaft ist ein immens komplexes System und der Boden als Grundlage jeder LW erst In den Kinderschuhen der wissenschaftlichen Erkenntnis. Plakative Vereinfachungen sind leicht zu vermitteln, aber meist irreführend oder überhaupt falsch. Das Produkt „ Landwirtschaft“ soll im derzeit noch vorherrschende System eines Shareholder-Value-Kapitalismus als regenerativ positioniert werden. Dieser Ambition steht aber der BLB mit seinem Anspruch und Image der „ökologischen Avantgarde“ im Weg. Daher wird mit diversen Vorwürfen und Unterstellungen der BLB diskreditiert und durch die Verbreitung von tendenziösem Halbwissen die Marktlage für Produkte aus der „chemisch – industriellen Landwirtschaft“ unter dem Mantel der „Kreislaufwirtschaft“ verbessert und salonfähig gemacht. Das Schweigen aus den Reihen des BLB bewirkt ein Übriges.
DIE VORWÜRFE UND WAS DRAN IST
(Eine Auswahl)
Mindererträge
Ein Hauptkritikpunkt am BLB sind die Mindererträge, die zum Welthunger beitrügen. BLB verschwende wertvolles Ackerland, das für die Ernährungssicherheit so wichtig sei. Das Problem ist aber weniger der Minderertrag , sondern vielmehr die Weiterverwendung und Verarbeitung sowie die Verteilung. Weizen in Europa wird nur zu ca. 30% für die menschliche Ernährung verwendet. Der Rest geht ins Futter für die Tiere und in die Verspritung bzw. wird überhaupt weggeworfen. Bezogen auf weite Regionen in Afrika ist der Vorwurf der Mindererträge aus dem BLB überhaupt falsch und in trockenen Jahren können auch in manchen Regionen Europas(Weinviertel) die Erträge aus BLB mit denen aus KLW mithalten und diese sogar übertreffen.
Vor allem die Weglassungen erzeugen bei der Darstellung komplexer Zusammenhänge eine artifiziell verkürzte Realität, die nur den Interessen der vor und nachgelagerten Agroindustrie dienen. Die Aufgabe des BLB ist nicht das Maximieren von Erträgen für eine kurze Zeitspanne, sondern die dauerhafte Erhaltung der Regenerationskraft der Böden. Die Welt soll und kann auch nachhaltig ernährt werden, ohne die Umwelt mit der Erzeugung von Spitzenerträgen zu belasten.
Pestizide und Erosion
Pestizide würden in ihrer Schädlichkeit überbewertet und hätten richtig angewendet keine negativen Auswirkungen auf Mensch und Tier. Im Gegenteil wären z.B. bei Glyphosat die umweltrelevanten Vorteile größer als die etwaigen Nachteile und es sei als „Erosionsschutzmittel“ auch sehr erfolgreich. Die systemischen Kollateralschäden dieses Totalherbizids auf Bodenleben und Biodiversität bleiben unerwähnt und man zieht sich auf Studien mit Ratten zurück, die hochgerechnet auf den Menschen ihre Unschädlichkeit beweisen sollen. Überhaupt seien Pestizide wie Schwefel und Kupfer auch im Biolandbau gang und gebe heißt es weiter, ohne auf den Unterschied zwischen chemisch-synthetischen und natürlichen Wirkstoffen einzugehen. Schwefel und Kupfer (Anwendung in Bio bei Obst und Wein) sind für das menschliche Leben essentiell und als Nährstoffe im Boden für das Pflanzenwachstum notwendig (Kupfermangel in den Böden des Weinviertels). Sie dienen- richtig eingesetzt- dem Leben, wo hingegen chemisch synthetische Pestizide das Leben abtöten. Diesen wesentlichen Unterschied muss man wissen.
Klima und Humus
Auch beim ökologischen Fußabdruck im BLB wäre es nicht zum Besten bestellt heißt es weiter. Denn die hohe Dichte an Rindern im BLB hätte zusätzlichen Methanausstoß zur Folge wird behauptet. Dass Rinder auf der Weide (BLB) wesentlich weniger Methan ausstoßen als Rinder im Stall, noch dazu wenn sie mit Soja/Maniok/Getreide – Mischungen gefüttert werden (KLW) wird tunlichst verschwiegen ebenso wie die positiven Umweltwirkungen der langen Lebensdauer des Rindes auf den Biobetrieben. Selbst beim Humusaufbau wird dem BLB seine Themenführerschaft streitig gemacht, weil man Humus neuerdings nur noch als C-org - also als Kohlenstoff ohne Qualitätsdifferenzierung in org. Masse , Nährhumus und Dauerhumus definiert , so dass der wesentliche Aspekt der Lebendverbauung im Ton-Humuskomplex nicht mehr berücksichtigt werden muss.
DIE LEISTUNG DES BLB
Genug der „Rechtfertigungen auf Nebenschauplätzen“ und zurück zur Ausgangsfrage wozu wir den BLB überhaupt noch brauchen? Wir brauchen den BLB, weil er derzeit die einzige Landbewirtschaftungsform ist, die nachweislich eine regenerative Landwirtschaft gewährleisten kann. Der Schlüssel dafür ist die „Lebendigkeit des Bodens“, die es zu pflegen, zu erhalten und zu verbessern gilt. Erst durch die Lebendigkeit des Bodens kann Dauerhumus entstehen, gibt es Diversität und Fülle des Bodenlebens (Edaphon), gibt es Struktur und Erosionsschutz, gibt es Bodenfruchtbarkeit mit anhaltendender Ertragsstabilität, entsteht die Lebensbasis für Käfer, Würmer, Insekten und Vögel. Und das alles nachhaltig und dauerhaft - regenerativ eben. Es ist schon sehr bedenklich, dass diese „Binsenwahrheit“ im Diskurs über die Zukunft der Landwirtschaf nicht vorkommt und ignoriert wird. Pestizide, Gentechnik und Maximierung von Erträgen sind kurzfristige Übergangslösungen mit Ausbeutungscharakter für Krisenzeiten , die Zukunft der Landwirtschaft aber liegt woanders. Sie liegt in der Fokussierung auf die Lebendigkeit des Bodens und das ist nicht neu.
Schon bei Platon wird die Lebendigkeit „Psyche“ (das sich selbst Bewegende) genannt und als Grund und Ursprung aller „Physis“ (Natur) bezeichnet: „Gäbe es keine Psyche (er meint Lebendigkeit allgemein, wir meinen Lebendigkeit des Bodens) müsste der ganze Himmel und das ganze Werden in sich zusammenfallen und stillstehen – und es gäbe nichts, wodurch bewegt sie neuerlich entstehen könnten.“ (Phdr.245d)
Es wäre wünschenswert, wenn wir die Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft unter dem Aspekt der Lebendigkeit (Psyche) und nicht mehr nur unter dem Aspekt der weiteren „Übertölpelungen“ der Natur führen könnten.Das Ignorieren dieser Thematik ist eine offene Wunde. Der BLB weist darauf hin. Das ist seine Leistung.
Alfons Piatti Loossorf 1.1.2023
Hinweis:
Die Gastkommentare müssen nicht die Meinung des Medieninhabers ausdrücken.